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Buchemotion zu Drei Tage und ein Leben von Pierre Lemaitre



Puh, kennt ihr das, wenn man ein Buch liest und danach noch garnicht so recht über seine Gedanken dazu sprechen kann, weil es einen einfach erschlägt? So ging es mir mit „Drei Tage und ein Leben“ aus dem Klett Cotta Verlag. Dieses Buch ist so still und hat dabei eine Gewalt, die einem den Boden unter den Füßen wegzuziehen vermag.


Pierre Lemaitre hat mit diesem Buch eine Geschichte geschaffen, die ich so schnell nicht vergessen werde. Warum? Weil ich mir selbst die Frage gestellt habe, ob mir das nicht auch hätte passieren können. Weil das Leben nie vorhersehbar ist. Weil Schuld immer eine Frage von Definition, von Absichten und von subjektiver Meinung ist. Kann ein 12jähriger ein Mörder sein? Kann man jemanden umbringen und das bereuen, ohne sich zu stellen? Wo ist die Gerechtigkeit, wenn die Welt rätselt und einer schweigt. Derjenige, der das Rätsel auflösen könnte, aber nur, wenn er einen sehr hohen Preis dafür bezahlt. Und was wäre, wenn dieser 12jährige die Schuld eingesteht. Wären die Menschen dann beruhigt, weil sie den Mörder kennen? Oder wären sie vielmehr beunruhigt, weil man das einem 12jährigen nicht zutraut?


Der Roman hinterlässt auf jeden Fall viele Fragen. Fragen, die nicht beantwortet werden und die tief greifen. So tief, dass wir die Abgründe unserer Gesellschaft kennen lernen. Wie schnell wir Menschen verurteilen, selbst wenn wir meinen zu wissen, wer der Mörder ist. Wenn dieser uns nicht eines Mörders würdig erscheint, wird ganz schnell gedanklich ein anderer verurteilet, auch wenn er unschuldig ist. Ich habe mich selbst immer wieder dabei erwischt, das Geschehene infrage zu stellen. Vielleicht war es am Ende doch nur der Sturm und das Opfer hatte eigentlich überlebt? Schonungslos und ehrlich bis aufs Blut spiegelt dieser Roman die Realität wieder, die sich abspielt, wenn etwas schreckliches passiert. Die Menschen fangen an, sich zu misstrauen, sich zu fragen, wer überhaupt noch Freund oder Feind ist. Ein Dorf, gebeutelt von einem Mord an einem kleinen Jungen. Dann ein Jahrhundertsturm, der alle Bewohner in Not geraten lässt. Was bleibt am Ende von der Menschlichkeit, von der Hilfsbereitschaft? Wieviel davon ist Theater, um sich selbst aus der Schusslinie zu bringen, und wieviel davon ist ehrliches Mitgefühl, ausgedrückt in dem Wunsch zu helfen? Das Buch liefert keine Antworten darauf und genau das ist es, was mich daran so sehr beeindruckt hat. Es beschreibt ein Geschehen, das in einem nachhallt, ohne den Nachhall zu kanalisieren in eine bestimmte Richtung. Der mündige Leser ist eingeladen, sich seine Gedanken zu machen und sich selbst ein Urteil davon zu machen, was am Ende verdient ist und was nicht. Dabei ist der Schreibstil leicht verständlich, ohne poetische Schnörkel, ohne philosophische Exkurse. Er spiegelt objektiv ein Geschehen wider, dessen Verlauf so wenig und doch so viel Handlung enthält.


Mein Fazit:

Ich bin beeindruckt von diesem Buch und werde es sicherlich noch einmal lesen müssen, um all das zu verarbeiten, was ich in diesem Buch spürte. An Hass, an Liebe, an Verwirrung und vermeintlicher Klarheit. An einigen Stellen hat mir die Tiefe der anderen Charaktere gefehlt, an einigen Stellen war mir zu wenig passiert, aber dennoch kann ich das Buch jedem empfehlen, der nicht unbedingt auf jeder Seite eine Actionszene sucht, während er liest. Es wird euch dennoch genug aufrütteln!

Von mir gibt es derweil 4 von 5 Kleeblättern für „Drei Tage und ein Leben“. 🍀🍀🍀🍀

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