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Buchemotion zu "Träume, die ich uns stehle" von Lily Oliver


Ihr lieben, ich „doktore“ schon lang an dieser Rezi herum, weil ich ehrlich nicht weiß, wie ich dem unsagbar tollen Schreibstil und der Emotion im Buch gerecht werden soll. Aber es bringt ja alles nichts, am Ende will ich euch unbedingt von dem Buch erzählen und euch sagen, warum ihr es lesen solltet, deshalb raffe ich jetzt all meinen Mut zusammen und veröffentliche mein Geschreibsel dazu ;-)


"Manche Worte verändern alles. Sie zerstören Leben. Auch meins." (Zitat S. 164)


Zum Inhalt Wir begleiten Protagonistin Lara auf ihrem Weg mit einer psychischen Erkrankung. Sie kann nicht aufhören zu reden, in vielen Situationen sprudeln die Worte nur so aus ihr heraus und sie kann sie nicht stoppen - und schämt sich immer wieder dafür. Und dann leidet sie auch noch an Amnesie. Bruchstücke der Erinnerung an einen Unfall kommen immer wieder in ihr hoch, doch sie kann sie nicht festhalten und versucht, die Lücke mit ihren Worten zu füllen. Keiner hört ihr zu, außer ihrem Therapeuten, der sie aber herausfordert, der möchte, dass sie zwischen den Worten nach der Wahrheit sucht, doch das will Lara nicht. Sie findet Thomas. Thomas hört still zu, Thomas fordert sie nicht heraus. Er liegt im Koma. Immer wieder schleicht sie sich verbotener Weise auf die Intensivstation, wo Thomas beginnt, auf ihre Stimme zu reagieren. Sie erzählt ihm eine Geschichte, die Geschichte von Lara und Thomas, die sich ineinander verliebten. Sie füllt die Stille mit Worten und träumt, es seien Erinnerungen, die sie erzählt. Doch was bleibt am Ende, wenn Träume sich als Wolken aus Worten entpuppen und die Realität Dich nicht mehr atmen lässt?


"Die Worte schlagen wie ein Blitz zwischen uns ein. Doch kein Donner folgt darauf, sondern nur Schweigen" (Zitat S. 156)


Meine Meinung

„Träume, die ich uns stehle“ war mein erstes Buch von Lily Oliver alias Alana Falk, die ich auf dem LitCamp in Heidelberg kennenlernen durfte. Und WOW! Ich habe lange kein Buch mehr gelesen, das mich von der ersten Seite an so gefesselt hat, wie dieses. Der Schreibstil ist grandios, er ist emotional und entwickelt zusammen mit der Dramaturgie der Kapitel eine Sogwirkung, der ich mich nicht entziehen konnte. Ich habe selbst im Auto auf dem Beifahrersitz weiterlesen müssen, weil ich wissen wollte, was hinter Laras Erkrankung steckt und wie es mit Thomas weitergeht. Ich kann nicht umhin ihre Dramaturgie mit der einer Colleen Hoover zu vergleichen, denn mich so zu fesseln und so schockieren und mitzunehmen, das konnte bislang nur sie. Die Charaktere haben eine unglaubliche Tiefe, sie sind realistisch, ehrlich, beinahe schon grausam gezeichnet. Doch genau das macht den Reiz der Geschichte aus, man fühlt mit, man hasst, man liebt, man weint, man träumt mit Lara und den anderen. Die Frage, wer eigentlich gut und wer eigentlich böse ist, drängt sich immer wieder auf und ich schwankte während des Lesens zwischen „nicht wissen wollen“ und Neugier. Das, was hinter den Charakteren steckt, ihre individuellen Schicksale und Geschichten, sind erschütternd bis ins Mark und die dunkle Vorahnung lässt Lily Oliver geschickt immer wieder einfließen.

Für mich war es vor Allem Laras Geschichte, die mich sehr bewegt hat. Ohne zu spoilern möchte ich einfach nur sagen, dass ich ihren Schmerz ebenso empfunden habe wie alles, was danach kommt. Ich muss der Autorin ein riesen Lob für ihre Empathie aussprechen, denn ein Teil von Laras Geschichte hat mich selbst in meinem Leben schon betroffen und ich habe mich selten so verstanden gefühlt, wie in diesem Buch. Es ist erstaunlich, wie deutlich die anfangs noch zarten Konturen der Geschichte am Ende zu einem Gesamtkunstwerk werden, das wie ein Bild vom zarten Bleistift-Strich zur dicken Ölschicht aufgebaut wird und absolut fesselt. Ein Kunstwerk, vor dem man nur ehrfürchtig stehen und es mit Tränen in den Augen betrachten kann, weil es einen tief im Herzen berührt. So endete das Buch für mich, genau so. Ich hielt es in Händen, mit Tränen in den Augen und habe über mein eigenes Leben nachgedacht und so viel mitgenommen, ja beinahe schon an eigener Lebenserfahrung, weil ich über die Seiten mit Lara gelebt habe.


"Die Kornblume verwelkt. Die Straße ist leer. Nur noch die Frage hängt über dem vereisten Asphalt. Jene richtige, echte Frage, die ich mir selbst stelle. Jeden verdammten Tag." (Zitat S. 98)


Mein Fazit

Ich empfehle das Buch wirklich jedem, der eine tiefgründige und dramatische Geschichte lesen möchte und mit ein paar harten Wahrheiten klarkommt. Lasst euch nicht von diesem harmonisch-schönen Cover täuschen, es ist keine seichte Liebesgeschichte, wie ich sie erwartet hätte. „Träume, die ich uns stehle“ ist ein Sturm, der durch den Flügelschlag eines Schmetterlings, leise und vorsichtig ausgelöst wird, bis er sich zu einer Urgewalt entfaltet und alles mit sich reißt, an das man glauben wollte. Und er zieht nicht ohne Spur an einem vorbei, sondern hallt noch lange nach, während man die Scherben von Laras Träumen aufzusammeln versucht.

Von mir gibt es 🍀🍀🍀🍀🍀 (5 von 5 Kleeblättern) und die Kategorie Herzensbuch dazu.


PS: Danke an Alana für das Vorablese-Exemplar, das ich beim Meet & Greet auf der Frankfurter Buchmesse von ihr erhalten habe. Ich wusste damals noch nicht, was für ein großes Geschenk dieses Buch für mich ist!

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